
Finca Villa Paz: Vorreiter der biozyklischen veganen Bewegung in Kolumbien
von Francisco Arcila
Francisco Arcila, Mitglied im Beirat des Förderkreises, der ursprünglich aus Kolumbien stammt, besuchte sein Heimatland im Herbst 2024 und schilderte seine Eindrücke in diesem inspirierenden Artikel:
CHOACHÍ, Kolumbien – Hoch in den Anden, im malerischen Choachí, liegt die Finca Villa Paz – ein eindrucksvolles Beispiel für ökologische Landwirtschaft, aktiven Naturschutz und zivilgesellschaftliches Engagement. Das 36,7 Hektar große familiengefèhrte Reservat wurde 1990 von Jack Z. Rotlewicz und Claudia Arcila gegründet. Seither steht es für einen respektvollen Umgang mit der Natur und eine konsequent ökologische Gemüseproduktion. In Partnerschaft mit Biocyclic Vegan International bereitet sich die Finca derzeit auf die Zertifizierung nach den Biozyklisch-Veganen Richtlinien vor – und setzt damit ein starkes Zeichen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft in Südamerika.
Bereits im April 2001 wurde Villa Paz als erstes privates Naturreservat Kolumbiens offiziell von der Nationalparkbehörde anerkannt – als Pilotprojekt für neue Richtlinien zum Schutz natürlicher Lebensräume. Rund drei Viertel des Landes stehen seither unter besonderem Naturschutz; die restlichen Flächen dienen einer naturnahen, ökologisch bewirtschafteten Landwirtschaft. Die Verbindung von Biodiversitätsschutz und innovativen Anbaumethoden macht die Finca zu einem echten Vorbild für Lateinamerika.
Ein Paradigmenwechsel in der ökologischen Landwirtschaft
Seit ihrer Gründung verfolgt Villa Paz das Ziel, Naturschutz und Landwirtschaft miteinander zu verbinden. Ein besonderer Meilenstein war die Einführung der biozyklischen Kompostierung und die Erzeugung von Biozyklischer Humuserde – ein rein pflanzlicher Bodenverbesserer, der vollkommen ohne tierische Dünger auskommt. Das Resultat: kräftigere Pflanzen, widerstandsfähiger gegenüber Krankheiten und Schädlingen, und eine deutlich längere Haltbarkeit nach der Ernte.
Der Einstieg in den Biozyklisch-Veganen Anbau begann im November 2022. Zuvor hatte die Finca über 20 Jahre lang mit traditionellen ökologischen Methoden gearbeitet – darunter auch der Einsatz von Tierdung und Wurmkompost. Die Vorstellung, dass eine erfolgreiche Landwirtschaft auch völlig ohne tierische Inputs möglich ist, erschien zunächst kaum vorstellbar. Doch ein Artikel über den Biozyklisch-Veganen Anbau weckte Neugier. Im Juni 2022 fand schließlich ein Online-Austausch mit Axel Anders und Dr. Johannes Eisenbach von Biocyclic Vegan International statt – und ein neuer Weg begann.
Nur wenige Monate später, im November, reiste Dr. Eisenbach persönlich zur Finca, um das Team beim Aufbau der ersten Kompostmieten zu begleiten. Zum Einsatz kamen dabei ausschließlich lokale, pflanzliche Materialien: Blätter, Gemüsereste und vor allem eine einheimische Bambusart namens Chusquea scandens. Heute reihen sich auf dem Gelände rund 180 Meter Komposthügel in verschiedenen Stadien der Reifung. Der Anbau konzentriert sich auf Salate, Radieschen, Rote Bete, Ackerbohnen, Dill, Rucola, Kürbis – und vieles mehr. Die Ergebnisse sprechen für sich: kräftige Pflanzen, gesunde Böden, und ein Geschmack, der überzeugt.

Jack Rotlewicz inspiziert in Begleitung einer Besuchergruppe einen der biozyklischen Humusmieten – ein bedeutender Schritt auf dem Weg von Villa Paz hin zu einer erfolgreichen nutztierfreien Landwirtschaft
Geschmack, der Spitzenköche begeistert
Nicht nur auf dem Feld zeigen sich die Vorteile – auch in der Küche fällt der Unterschied auf. Zahlreiche Köche, darunter Vertreterinnen und Vertreter renommierter nachhaltiger Restaurants Kolumbiens, haben die Produkte verkostet – mit durchweg begeisterten Reaktionen. Gemüse, das auf biozyklischem Humus gedeiht, hat nicht nur mehr Aroma, sondern bleibt auch nach der Ernte deutlich länger frisch – ein echter Pluspunkt für Gastronomie und Endverbraucher gleichermaßen.
Angespornt von diesen Erfolgen, plant Villa Paz, bis Ende des Jahres mindestens die Hälfte der gesamten Produktion auf biozyklisch-vegane Methoden umzustellen. Ziel ist es dabei nicht nur, die eigenen Prozesse zu verbessern, sondern auch andere Betriebe zu inspirieren, neue Wege zu gehen.
Einheimischer Bambus als Schlüsselfaktor
Ein besonderes Augenmerk gilt der Chusquea, einer Bambusart, die nicht nur lokal wächst, sondern auch in der Kompostierung eine zentrale Rolle spielt. Erste Studien zeigen, dass sie zur Regeneration der Böden beiträgt, Erosion verhindert und sich hervorragend als Kompostgrundlage eignet. Villa Paz nutzt sie intensiv, um hochwertige Komposte und Humuserde herzustellen – mit sichtbarem Erfolg.
Allerdings ist der Aufbau einer größeren Kompostproduktion mit Herausforderungen verbunden. Die benötigten Pflanzenmaterialien müssen in ausreichender Menge vorhanden sein, um eine Mechanisierung – etwa mit Traktor und Anbaugeräten – wirtschaftlich zu rechtfertigen. Auch die Frage, wie viel ein einzelner Mensch manuell bewältigen kann, spielt in der Planung eine große Rolle. Diese Faktoren fließen derzeit in die weitere Entwicklung und Skalierung der Kompostsysteme ein.

Chusquea scandens, eine einheimische Bambusart, spielt auf dem Betrieb eine Schlüsselrolle bei der Bodenregenerierung und der Erzeugung von Biozyklischer Humuserde.
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Eine Gemeinschaft von Landwirtinnen und Landwirten aufbauen – Wissen teilen, Netzwerke stärken
In den vergangenen 25 Jahren haben zahlreiche junge Menschen aus der Region auf der Finca Villa Paz gearbeitet und dabei praktische Erfahrungen im ökologischen Landbau gesammelt. Mit dem Wachstum der Finca und dem Ausbau ihrer Absatzmärkte wurde deutlich: Es gibt viele junge Arbeiter, die den Wunsch haben, selbst landwirtschaftlich tätig zu werden. Villa Paz unterstützt diese angehenden Bäuerinnen und Bauern – nicht nur finanziell, sondern auch mit fachlichem Know-how. Ziel ist es, eigenständige Produktionsstätten nach denselben ökologischen Grundsätzen aufzubauen.
Die Finca stellt dabei Saatgut oder Setzlinge zur Verfügung, behält sich jedoch das Recht vor, die Produktionsbedingungen regelmäßig zu überprüfen. Die geernteten Produkte werden später von Villa Paz zurückgekauft.
Aktuell arbeitet die Finca nach diesem Modell mit drei weiteren Produktionsstandorten zusammen – und schafft so die Grundlage für ein wachsendes biozyklisch-veganes Netzwerk in der Region. Doch der Weg dorthin ist nicht einfach: Schon der Umstieg von konventioneller auf biologische Landwirtschaft ist für viele kleinbäuerliche Betriebe eine große Herausforderung – vom vollständigen Verzicht auf tierische Betriebsmittel ganz zu schweigen. Häufig scheitert es an fehlendem Kapital oder mangelndem Zugang zu passenden Werkzeugen. Auch der Aufwand, der mit einem Systemwechsel verbunden ist, schreckt viele ab.
Um dem entgegenzuwirken, engagiert sich Villa Paz aktiv in der Bildungsarbeit. In Schulungen und Austauschprogrammen gibt die Finca ihr Wissen weiter und vermittelt den Zugang zu Ressourcen, die den Umstieg erleichtern können – zunächst auf ökologischen Landbau, später idealerweise hin zu biozyklisch-veganen Prinzipien. Parallel dazu baut Villa Paz ihr Netzwerk mit Organisationen aus, die sich für ökologische Nachhaltigkeit einsetzen – und stärkt so Schritt für Schritt die Gemeinschaft biozyklisch-veganer Betriebe in Südamerika.
Der Kamp gegen die industrielle Ausbeutung des Landes
Doch das Engagement von Villa Paz geht weit über die Landwirtschaft hinaus. Seit Jahren ist die Finca auch eine treibende Kraft im Umweltaktivismus. Ein besonders markantes Beispiel: Im Jahr 2007 stellte sich Villa Paz an die Spitze einer Bewegung gegen ein geplantes 167 Kilometer langes Nafta-Pipeline-Projekt des staatlichen Ölkonzerns Ecopetrol. Die Leitung sollte ein leicht entzündliches Lösungsmittel von Tocancipá nach Meta transportieren – vorbei an sensiblen Ökosystemen, durch Gebiete kleiner bäuerlicher Betriebe und in unmittelbarer Nähe zur Trinkwasserversorgung Bogotás.
Trotz der massiven Risiken wurde das Projekt ohne ernsthafte Einbindung der lokalen Bevölkerung vorangetrieben. Gemeinsam mit Umweltorganisationen und lokalen Aktivistinnen und Aktivisten rief Villa Paz eine breit aufgestellte Protestkampagne ins Leben. Durch juristische Schritte, öffentlichkeitswirksame Aktionen und intensive Mobilisierung gelang es der Bewegung, die Umweltlizenz für das Pipeline-Projekt zu stoppen – ein bedeutender Erfolg, der weit über die Region hinausstrahlte.
Dieser Sieg zeigte, wie viel Kraft in basisdemokratischem Engagement steckt – und wie wichtig es ist, dass Gemeinschaften selbst über ihre Umwelt entscheiden. Gleichzeitig stärkte der Protest auch die Position von Villa Paz als ökologisches Vorbild und inspirierte zahlreiche weitere Initiativen im ganzen Land, sich gegen ähnliche Eingriffe zu wehren. Hiervon berichteten auch die größten kolumbianischen Zeitungen (El Espectador und El Tiempo).
Weitere geplante Projekte – wie etwa der Abbau großer Mengen von Sand zur Versorgung der Bauindustrie in Bogotá – konnten ebenfalls gestoppt werden. Eines dieser Projekte hatte direkte Auswirkungen auf Villa Paz, auch wenn dies nicht so umfassend dokumentiert wurde. Villa Paz beteiligte sich jedoch maßgeblich an den politischen, rechtlichen und ökologischen Einsprüchen beteiligt, was letztlich dazu führte, dass diese Projekte verhindert werden konnten. Der erfolgreiche Widerstand gegen die Pipeline hat nicht nur Umweltzerstörung verhindert – er hat den Menschen vor Ort auch Mut gemacht. Heute beteiligen sich viele von ihnen aktiv an der kommunalen Flächenplanung und setzen sich für eine nachhaltige Nutzung ihres Lebensraums ein.

Vom Lernen zum Wachsen: Villa Paz hat dazu beigetragen, aus angehenden Landwrtinnen und Landwirten erfolgreiche Erzeuger zu machen, mithilfe von Unterstützung, Beratung und einer gemeinsamen Vision für den ökologischen Landbau.
Blick nach vorn: Zertifizierung und Wachstum
Derzeit bereitet sich Villa Paz auf die vollständige Zertifizierung nach dem Biozyklisch-Veganen Richtlinien vor. Durch den Ausbau ihres Netzwerks an ökologisch wirtschaftenden Betrieben, die Weiterentwicklung der Kompostierungsinfrastruktur und die kontinuierliche Forschung will die Finca den pflanzenbasierten Ökolandbau weiter in den gesellschaftlichen Mittelpunkt rücken.
Mit ihrem stetigen Wachstum wirkt Villa Paz längst über die Grenzen der Landwirtschaft hinaus. Die Finca zeigt, wie kleine Betriebe zu kraftvollen Motoren des Wandels werden können – indem sie Lebensräume schützen und gleichzeitig unser Verständnis von Lebensmittelerzeugung neu definieren. Der Erfolg von Villa Paz hat das Potential, die Zukunft der nachhaltigen Landwirtschaft in Südamerika entscheidend mitzugestalten – als Vorbild für ein resilientres, gerechteres und ökologisch verantwortungsvolles Ernährungssystem.
Weitere Informationen:

Ein atemberaubender Blick auf die Villa Paz, eingebettet in die Anden auf 2.800 Metern Höhe, wo Naturschutz und nachhaltige Landwirtschaft Hand in Hand gehen.
Photo credits © Jack Z. Rotlewicz, Francisco Arcila