Biozyklische Humuserde

Herstellung, Eigenschaften und Determinanten ihrer Entstehung

Definition

Biozyklische Humuserde ist eine neuartige, nährstoff- und kohlenstoffstabilisierte Form an organischer Substanz mit hoher Düngerwirkung, die in allen Wachstumsstadien der Pflanze eingesetzt werden kann, ohne an Jungpflanzen Verbrennungen bzw. allgemein Phänomene von Überdüngung mit entsprechenden Nährstoffverlusten durch Auswaschung hervorzurufen. Sie wurde seit 1998 im Rahmen von Langzeitversuchen im Biocyclic Park in Kalamata/Südpeloponnes, Griechenland, auf der Basis der Herstellung von Qualitätskompost rein pflanzlichen Ursprungs ohne Zugabe von Erde oder Ton entwickelt.

Eigenschaften von biozyklischer Humuserde

Biozyklische Humuserde weist grundsätzlich andere Eigenschaften auf als handelsübliche Komposte, Bodenverbesserer oder Pflanzsubstrate. Sie kann sowohl zur Düngung als auch als Substrat bzw. Bodenersatz verwendet werden. Auffällig ist die hohe Nährstoffkonzentration (z.B. bis zu 3% Stickstoff), eine besonders niedrige elektrische Leitfähigkeit, was auf das Fehlen wasserlöslicher Verbindungen deutet, bei einer gleichzeitig ausgesprochen hohen Ionenaustauschkapazität von 91,9 meq Na/100g und nachweislicher Düngewirkung (der Phytotoxizitätstest weist 114%, was fast 20% über dem Wert bester Pflanzsubstrate liegt). Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass beim Abtropftest keine nennenswerten Mengen an wasserlöslichen Nährstoffen nachgewiesen werden konnten. Somit ist biozyklische Humuserde auch unter Bewässerung oder selbst bei hohen Niederschläge nicht auswaschungsgefährdet. In der folgenden Tabelle sind die Eigenschaften von reifem Kompost und biozyklischer Humuserde gegenübergestellt.

Qualitätskompost als Herstellungsgrundlage

Unabdingbar für die Herstellung von biozyklischer Humuserde ist nach unseren bisherigen Erkenntnissen die gezielte Überwachung und Steuerung des anfänglichen Kompostierungsprozesses nach dem Lübke-Hildebrandt-Verfahren. Dabei ist es wichtig, die unvermeidlichen Nährstoffverluste in der ersten Phase der thermischen aeroben Fermentation so gering wie möglich zu halten und die Emission von Gasen und Sickerwasser zu reduzieren. Durch die konstante Überwachung von Temperatur, Feuchtigkeit und CO2-Gehalt der Mieten kann sowohl die Häufigkeit, in der das Material gewendet werden muss, als auch das Maß der Wasserzugabe exakt bestimmt werden. Das Ergebnis ist ein nährstoff- und krümelstabilisierter vollreifer Kompost, der sich durch ein hohes Wasserrückhaltevermögen und ein ausgewogenes Verhältnis aus strukturgebendem Kohlenstoff und eiweißhaltigen Materialien (C:N-Verhältnis) auszeichnet und der bereits im Ackerbau und Obstbau verwendet werden kann. Beim Einsatz im Gartenbau jedoch wird dieser Kompost zur Vermeidung von Verbrennungen am Wurzelsystem, insbesondere bei Sämlingen oder Jungpflanzen, in der Regel mit Erde vermischt, da er, auch wenn er als reif bezeichnet werden kann, immer noch einen mitunter hohen Anteil an wasserlöslichen Bestandteilen aufweisen kann.

Zertifizierung und Einsatzgebiete

Sowohl die anfängliche Kompostierung der Ausgangsmaterialien (Oliventrester, Traubentrester und Olivenblätter) als auch der sich daran anschließende Veredelungsprozess bis zum Erreichen der kohlenstoffstabilisierten Humusphase in Form von biozyklischer Humuserde wird im Biocyclic Park detailliert dokumentiert und von der international anerkannten Öko-Kontrollstelle CERES zertifiziert.

Zertifizierte Humuserde ist entsprechend gekennzeichnet und kann von Bio-Betrieben gemäß EU-Ökoverordnung (VO 889/2008: ANNEX I), gemäß der amerikanischen (NOP: §205.203 (c) (3) und japanischen (JAS: Not. 1605 Table 1) Bioverordnung sowie nach den seit 2017 international von IFOAM anerkannten, Biozyklisch-Veganen Richtlinien ohne Einschränkung bezüglich Mengendosierung und Anbaukulturen weltweit eingesetzt werden. Sie nimmt im biozyklisch-veganen Anbau, einer Form der ökologischen Landbewirtschaftung, die auf eine kommerzielle Nutztierhaltung und den Einsatz tierischer Betriebsmittel verzichtet und vollständig auf rein pflanzliche Dünge- und Betriebsmittel setzt, eine zentrale Stellung ein.

Forschungsarbeiten

Erste Forschungsarbeiten, insbesondere zu den Ertragspotentialen beim Einsatz von biozyklischer Humuserde, wurden bereits im Sommer 2017 an der Agrarwissenschaftlichen Universität Athen durchgeführt.1. 2.  Die Versuche wurden an Süßkartoffeln und Industrietomaten durchgeführt und zeigten Ertragssteigerungen gegenüber dem üblichen Düngemanagement mit wasserlöslichen Mineraldüngern von über einhundert Prozent. In Deutschland beschäftigt sich derzeit der 2017 ins Leben gerufene „Arbeitskreis Humuserde“, an dem Wissenschaftler verschiedener Disziplinen und Komposthersteller teilnehmen, mit der systematischen Erfassung der Parameter, mit denen das Erreichen der kohlenstoffstabilisierten Humusphase eines Materials messbar gemacht werden kann.

Forschungsanträge zur elektronenrastermikroskopischen Analyse der in Humuserde vermuteten Kohlenstoffstruktur sowie zu Auswaschungsversuchen unter Feldbedingungen sind in Bearbeitung.

 

Das Erklärungsmodell

Grund für die Änderung der Eigenschaften von biozyklischer Humuserde in Bezug auf reifen Kompost scheint die Struktur der Kohlenstoffmoleküle zu sein, die bis zu 80 % der organischen Substanz in biozyklischer Humuserde ausmachen. Es gibt starke Hinweise darauf, dass sich diese Struktur während des Veredelungsprozesses von reifem Kompost zu Humuserde, ähnlich wie bei der Verkohlung von Pflanzenteilen (‘Terra preta‘, ‘Biochar‘) auf natürlicher Weise verändert. Während in reifem Kompost Ton-Humus-Komplexe für die Rückhaltung von Wasser, Luft und Nährstoffen verantwortlich sind und diese damit die Bodenfruchtbarkeit auf physikalischem Wege verbessern, bildet in Humuserde der Kohlenstoff selbst (anstelle des Tons) stabile Komplexe in Form amorpher Gitterstrukturen, die für die vollständige Rückhaltung von Nährstoffen verantwortlich zu sein scheinen. Die Dichte dieser Gitter ist offenbar bereits so hoch, dass Wassermoleküle nicht leicht in diese Strukturen eindringen können, während kleinere Moleküle wie Säuren, welche von Wurzeln und Mikroben ausgeschieden werden können, dazu in der Lage sind.

Mit anderen Worten: Humuserde ist ein Substrat mit hoher Düngewirkung ohne wasserlösliche Nährstoffe. Die Abwesenheit wasserlöslicher Nährstoffe ist es, was die Pflanze zwingt, neben der Wasseraufnahme, welche sich passiv über osmotische Prozesse im Pflanzengewebe vollzieht, ihre natürlichen aktiven Nährstoffabsorptionsmechanismen zu aktivieren, die vollständig an eine Umgebung angepasst sind, in der es keine wasserlöslichen Nährstoffe gibt, wie es bei natürlichen Wäldern oder anderen natürlichen Ökosystemen der Fall ist.

Im Gegensatz zur Verabreichung von Nährstoffen, die in Form von Salzen im Wasser gelöst sind, wie es in den meisten bisher etablierten Formen des Landbaus geschieht, bei dem die Pflanzen unselektiert, also quasi passiv alle im Wasser gelösten Stoffe aufnehmen muss (Grundlage der bisher angewandten Theorie zur Pflanzenernährung), kann die Pflanze, deren Wurzelsystem sich in Humuserde entwickelt, Nährstoffe aktiv, und damit selektiv aufnehmen, wobei sie exakt die den Bedürfnissen des jeweiligen Entwicklungsstadiums entsprechenden Nährstoffe absorbiert. Damit versorgt sich die Pflanze dauerhaft nahe am Optimum, was zu einem ungewöhnlich ausgeglichenen und dabei kräftigen Wachstum führt. Pflanzen, die in reiner biozyklischer Humuserde wachsen, sind daher nicht mehr auf wasserlösliche Düngemittel angewiesen.

Fazit

Der Übergang von organisch gebundenem Kohlenstoff in eine vorkristalline Gitterstruktur scheint ein Prozess zu sein, der mehrere Jahre dauert. Wahrscheinlich wird nur der erste Teil dieses Prozesses durch mikrobielle Aktivität induziert und verstärkt (Verrottung). Es gibt Hinweise darauf, dass am Ende des Prozesses die Bildung von Kohlenstoffgittern durch andere als die bislang bekannten biologischen Abbaufaktoren unterstützt wird. Diese Faktoren sind in jüngster Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen geworden. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Gitterbildung nicht mit den gleichen Mitteln beeinflusst werden kann, die biologische Prozesse in den frühen Phasen der Reifung beschleunigen. Denkbar ist, dass durch Zugabe einer Trägersubstanz, mit Hilfe derer ein molekularspezifischer Informationstransfer mit Impulswirkung auf die Spontanagglomeration von niedermolekularen Kohlenstoffverbindungen ausgelöst wird, der Eintritt in die kohlenstoffstabilisierte Humusphase begünstigst werden kann. Klar ist derzeit nur, dass der Faktor Zeit von entscheidender Bedeutung ist. Nach den bisher vorliegenden Erfahrungen werden in der Regel nach Erreichung der Vollreife des Ausgangsmaterials (Qualitätskompost) eine Stabilisierungsperiode von mindestens 7 bis 9 Jahren benötigt. Um der Land- wirtschaft künftig ausreichende Mengen an Humuserde zur Verfügbarkeit stellen zu können, sollte sich die Forschung insbesondere der Frage widmen, ob, an welcher Stelle und womit der offenbar unter bestimmten Umständen auf natürlichem Wege einsetzende Stabilisierungsprozess beeinflusst bzw. beschleunigt werden kann.

Dr. agr. Johannes Eisenbach

1 Eisenbach, L.D. et al. (2018): Effect of biocyclic humus soil on yield and quality parameters of sweet potato (Ipomoea batatas L.). Scientific Papers. Series A. Agronomy, Vol. LXI, No. 1, 2018.

Download pdf.

2 Eisenbach, L.D. et al. (2019): Effect of biocyclic humus soil on yield and quality parameters of processing tomato (Lycopersicon esculentum Mill.). Bulletin UASVM Horticulture 76 (1),  47-52.