Grundlagenpapier zum biozyklisch-veganen Anbau

Inhalt

Einleitung

Der seit Jahrzehnten in unserer modernen Gesellschaft stattfindende Wertewandel hat eine neue kritische Phase erreicht. Immer mehr Menschen werden sich der Tatsache bewusst, dass in vielen Bereichen – global betrachtet – die Grenzen der ökologischen Belastbarkeit der Erde, die sogenannten „planetaren Grenzen“, erreicht oder bereits überschritten sind und dass bei einer Beibehaltung der für Industrie- gesellschaften typischen Wirtschaftsweisen und Lebensstile bzw. bei Übernahme derselben durch die wirtschaftlich aufstrebenden Gesellschaften der Entwicklungs- und Schwellenländer der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen nicht als gesichert gelten kann.

Die Problematiken des weiter zunehmenden Ressourcenverbrauchs, des voranschreitenden Klimawandels, des weltweiten Artensterbens sowie der Störung des globalen Stickstoffkreislaufs, die zu den gravierendsten Umweltproblemen unserer Zeit gehört, sind mittlerweile hinreichend bekannt. Eine maßgebliche Rolle kommt in diesem Zusammenhang der intensiven Landwirtschaft sowie dem global steigenden Konsum von Lebensmitteln tierischen Ursprungs wie Fleisch und Wurstwaren, Milchprodukten und Eiern zu. Wissenschaftliche Erkenntnisse über Krankheitsfolgen des übersteigerten Konsums tierischer Erzeugnisse und über den positiven Einfluss einer pflanzlichen Ernährung auf die menschliche Gesundheit mehren sich. In vielen Ländern wächst zudem das Bewusstsein, dass die derzeit übliche Nutz- und Schlachttierhaltung aus tierethischer Sicht nicht mehr zu vertreten und ihre wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit vor dem Hintergrund einer wachsenden gesellschaftlichen Ablehnung überdies fraglich ist.1

Dieser Bewusstseinswandel hat auf Verbraucherseite dazu geführt, dass die Zahl der sich vegetarisch und vegan ernährenden Menschen und damit auch die Nachfrage nach entsprechend zertifizierten Lebensmitteln stetig wächst2. Die lebensmittelverarbeitende Industrie und der Handel haben hierauf in den letzten Jahren bereits reagiert, was sich in einer deutlichen Zunahme der Marktanteile der als „vegetarisch“, „vegan“ oder auch als „bio-vegan“ deklarierten Produkte niederschlägt.

Die Bezeichnung „bio-vegan“ wird zur Zeit allerdings lediglich dazu verwendet, um zu verdeutlichen, dass die Inhaltsstoffe eines derart deklarierten Produktes einerseits aus ökologischer Landwirtschaft stammen und dass andererseits zu seiner Herstellung keinerlei Bestandteile tierischen Ursprungs verwendet wurden. Bislang haben Verbraucher jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, ob die eigentliche landwirtschaftliche Erzeugung eines solchen Produktes nicht doch an die Tierhaltung gekoppelt ist und ob z. B. bei der Düngung nicht auch Produkte tierischen Ursprungs wie Festmist, Gülle oder auch Schlachtabfälle wie Blut- und Federmehl, Knochenspäne, Schweineborsten usw. verwendet werden oder auch bestimmte aus Körperteilen von Tieren hergestellte Präparate zum Einsatz kommen. Er kann also in der Regel nicht erkennen, ob sein als  „vegan“ erworbenes Produkt nicht  doch in letzter Konsequenz mit Tierleid und den negativen Effekten der Tierproduktion auf die Umwelt erkauft worden ist.

Zwar gibt es eine große Anzahl von ökologisch und auch „viehlos“ arbeitenden Betrieben, die meist aus pragmatisch-ökonomischen Gründen auf die Nutztierhaltung verzichten. Dort kommen jedoch oft von außen zugekaufte Düngemittel tierischen Ursprungs zum Einsatz, weil die weitverbreitete Ansicht herrscht, dass man zur Steigerung der Erträge und zur Erhaltung einer dauerhaften Bodenfruchtbarkeit auf tierische Präparate nicht verzichten könne. Wenn sich eine solche Ansicht auch aufgrund jahrzehntelanger Praxiserfahrung insbesondere im biozyklischen Landbau nicht aufrechterhalten lässt, so herrscht doch unter Landwirten eine gewisse Unsicherheit, Skepsis und oftmals auch eine offene Ablehnung, die es verhindert, dass viehlos arbeitende Betriebe ihre Ausrichtung als neues Positionierungsmerkmal für eine zukunftsfähige „vegane“ Wirtschaftsweise erkennen und nutzen.

An diesem Punkt setzt der biozyklisch-vegane Landbau an. Die Vorstellung einer Landwirtschaft der Zukunft ohne Schlachttiere und Tierleid bildete bereits die Grundlage der „biozyklischen Richtlinien“, die seit den 1950er Jahren durch Adolf Hoops in Deutschland im „Bio-Modell Walsrode“ entwickelt und später in Zusammenarbeit mit Dr. agr. Johannes Eisenbach in Griechenland und Zypern an die mediterrane Klimazone angepasst wurden, wo sie heute von einer großen Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe erfolgreich angewendet werden. Es handelt sich dabei um eine biologische Anbaumethode ohne Viehhaltung, bei der im Sinne einer ökologisch orientierten Kreislauf-wirtschaft der Verwendung von rein pflanzlichem Kompost in Substratqualität („biozyklische Humuserde“) und dem Einsatz von Wild- und Heilkräutern zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit besondere Bedeutung zukommt. Der Einsatz von tierischem Dung wurde grundsätzlich abgelehnt und in der bisherigen Praxis nur unter Einhaltung von Auflagen toleriert.

Durch Dialog mit bio-veganen Kreisen in Deutschland wurde deutlich, dass den biozyklischen Richtlinien ein prinzipiell veganer Ansatz zugrundeliegt. In Kooperation mit veganen Verbraucherinitiativen, süddeutschen Erzeugerinnen und Erzeugern und veganen Landbauexperten wurden die wesentlichen veganen Aspekte in den Anbaurichtlinien herausgearbeitet und in die 2017 veröffentlichten, nun „Biozyklisch-Veganen Richtlinien“ integriert. Dieses wird dann auch Landwirtinnen und Landwirten, die an einer Neuorientierung interessiert sind, die Möglichkeit bieten, sich aus dem Zwang zu befreien, nur mit Tieren Lebensmittel produzieren zu können.

Die Biozyklisch-Veganen Richtlinien wurden im November 2017 als erster globaler veganer Öko-Standard in die „IFOAM Family of Standards“ aufgenommen. Landwirtschaftliche Betriebe, die nach diesen Richt­linien arbeiten wollen, haben jetzt die Möglichkeit, sich entsprechend zertifizieren zu lassen und ihre Produkte unter dem biozyklisch-veganen Label zu vermarkten.

1 Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz des BMEL „Wege zur einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ (März 2015)

2Skopos (2016): “1,3 Millionen Deutsche leben vegan”, Online unter: www.skopos.de/news/13-millionen-deutsche-leben-vegan.html (Februar 2017)

1. Die Biozyklische Idee​
1.1. Die Bedeutung des Begriffs „biozyklisch”

Die heute vorherrschende Form der Landwirtschaft ist gekennzeichnet durch eine nicht geschlossene Produktionsweise, bei der der Mensch die Ressourcen der Natur nutzt, ohne dafür einen entsprechenden Ausgleich zu schaffen, welcher ihm die dauernde und uneingeschränkte Verfügbarkeit dieser Ressourcen auch in Zukunft sichern würde. Im Gegensatz zu diesem nicht-nachhaltigen Ansatz steht die biozyklische Idee, deren Ziel die Erhaltung bzw. Wiederherstellung gesunder Lebenskreisläufe (gr.: „bios” = Leben +„kyklos” = Kreislauf) in umfassendem Sinne ist, und zwar in allen Bereichen der menschlichen Existenz. Dies betrifft das Verhältnis des Menschen zu seiner gesamten Mitwelt – zu Menschen, Tieren und auch zu Pflanzen – und bedingt einen verantwortungsvollen Umgang mit der von ihm genutzten und beeinflussten Umwelt. Jegliches Handeln und Wirtschaften sollte daher in ganzheitlichem Kontext erfolgen mit dem Ziel, auch im Bereich der Agrar- und Ernährungswirtschaft einen bewussten und nachhaltigen Beitrag für eine zukunftsfähige Entwicklung zu leisten.

Um Naturprodukte aus gesunden Kreisläufen zu erzeugen, ist ein Ansatz erforderlich, der vom gesunden Boden über die gesunde Pflanze zum gesunden Menschen führt. Nur so kann der biozyklische „Kreislauf der lebendigen Substanz“ (Dr. med. habil. Hans-Peter Rusch) lückenlos und nachhaltig im Einklang mit den Naturgesetzen beeinflusst und veredelt werden. Nur kreislaufbetontes Wirtschaften führt aufgrund systemkompatibler Vernetzungen zu einer gleichzeitigen multiplen Nutzenstiftung in verschiedenen Bereichen wie Gesundheit, Umwelt, Welternährung und Tierethik.

Deshalb wäre es wünschenswert, dass die biozyklische Idee der Einbindung menschlichen Handelns in naturgesetzliche Lebenskreisläufe zum Grundpfeiler für die Arbeit eines jeden ökologisch wirtschaftenden Betriebes wird. Hierbei ist ein wesentlicher Baustein die Erzeugung und Bereitstellung von nahrhaften und wohlschmeckenden Lebensmitteln aus gesunden und möglichst in sich geschlossenen Kreisläufen. Zu diesem Zweck ist es hilfreich, wenn eine Partnerschaft zwischen Betrieben und der abnehmenden Hand im Sinne einer Nahrungsmittelproduktion entsteht, die der sozialen, ethischen und globalen Verantwortung gegenüber Mitmenschen, Tieren und der Umwelt gerecht wird.

1.2. Die biozyklischen Richtlinien im Rahmen des ökologischen Landbaus

Die biozyklischen Richtlinien sind aus dem Bestreben von Adolf Hoops und Dr. agr. Johannes Eisenbach entstanden, den Ökolandbau unter besonderer Betonung der biozyklischen Prinzipien zu fördern. Sie richten sich an jene ökologisch wirtschaftenden Betriebe und Gärtnereien, welche sich der Bedeutung der Wiederherstellung und Erhaltung natürlicher Lebenskreisläufe und der natürlichen Bodenfruchtbarkeit als dem Ausgangspunkt für eine im umfassenden Sinne nachhaltige landwirtschaftliche Produktion bewusst geworden sind.

Ziel ist es, durch die Gewährleistung möglichst idealer, naturnaher Wachstumsbedingungen die Selbstheilungspotentiale eines landwirtschaftlich genutzten Ökosystems zu aktivieren, die sich vor allem im Bereich der Makromoleküle und Bodenlebewesen abspielen, um dadurch die ökosystemaren Leistungen insgesamt zu erhöhen. Dies kann dann im weiteren Verlauf die gesamte Nahrungskette bis hin zum Menschen positiv beeinflussen.

Die biozyklischen Richtlinien stehen in der wissenschaftlichen Tradition bedeutender Forscher des 18., 19. und 20. Jahrhunderts (Albrecht Thaer [1752-1828], Justus von Liebig [1803-1873], Sir Albert Howard [1873-1947], Dr. med. habil. Hans-Peter Rusch [1906-1977]) und verbinden diese mit den inzwischen vorliegenden Praxiserfahrungen im Bereich des ökologischen Landbaus und der Kompostierung als unabdingbarem Bestandteil einer dauerhaften Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit. Insbesondere zeichnen sich die biozyklischen Richtlinien dadurch aus, dass sie einen erhöhten Wert auf den konsequenten Einsatz von reifem Substratkompost legen, wobei sie aufgrund der biologischen und mikrobiologischen Vorgänge im Boden und in der Pflanze der Integration von Wild- und Heilkräutern in den Humuskreislauf eine besondere Bedeutung beimessen.

Um den Kulturpflanzen möglichst natürliche Wachstumsbedingungen bieten zu können, ist es überdies erforderlich, die Artenvielfalt um und auf den kultivierten Flächen drastisch zu erhöhen. Mischkultur, Untersaaten, weite Fruchtfolgen sowie die Schaffung von naturnahen landwirtschaftlich bzw. gartenbaulich nicht genutzten Habitaten innerhalb des Betriebs bzw. auf an den Betrieb angrenzenden Flächen bilden dabei eine weitere Grundlage für einen erfolgreichen biozyklischen Anbau. Um den Grad der ökologischen Vernetztheit eines Betriebes mit einem ihn umgebenden natürlichen Ökosystem oder mit künstlich zu schaffenden, naturnahen Habitaten innerhalb der landwirtschaftlich genutzten Fläche messbar und zwischen verschiedenen Betrieben vergleichbar zu machen, wurde der Biozyklische Betriebsindex (BBI) entwickelt. Er gibt Aufschluss darüber, ob die einzelbetriebliche Ausgangssituation ausreicht, um das natürliche Selbstheilungspotential des inner- wie außerbetrieblichen Ökosystems zum Vorteil der kultivierten Pflanzen nutzen bzw. erfolgreich aktivieren zu können. Eventuelle, durch den auf einer Skala von 0 bis 10 schwankenden Index ermittelte ökologische Defizite sind auszugleichen, bevor der Betrieb am biozyklisch-veganen Kontroll- und Zertifizierungsverfahren teilnehmen kann.

2. Von den biozyklischen Richtlinien zu den Richtlinien für biozyklisch-veganen Anbau
2.1. Notwendigkeit der Abkehr von der Schlachttierhaltung

Eine zunehmende Zahl von wissenschaftlichen Studien aus den unterschiedlichsten Fachgebieten belegt eindeutig, dass die derzeitige Produktion und der Konsum von Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs mit gravierenden negativen Effekten für Umwelt, Klima, Gesundheit, soziale Gerechtigkeit und Ernährungssicherung – auch in globaler Dimension – einhergehen. Zudem sind die Produktionsbedingungen, wie sie sich aus der vorherrschenden Praxis der Zucht, der Haltung, des Transports und der Schlachtung von Tieren ergeben, aus ethischer Sicht schon lange nicht mehr tragbar.

Zwar gibt es Bestrebungen, den Konsum von Produkten tierischen Ursprungs zu reduzieren und auch in der konventionellen Landwirtschaft die Haltungsbedingungen von Nutz- und Schlachttieren artgerechter zu gestalten. Vor dem Hintergrund der regionalen und globalen Herausforderungen sowie der derzeitigen gesellschaftlich stark voranschreitenden moralischen Aufwertung der Tiere, die sich u. a. auf einen fortgeschrittenen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu den Potentialen tierlicher Intelligenz, Empfindsamkeit – und damit auch tierlicher Leidensfähigkeit – gründet und die zu einer grundlegenden Neubewertung des Mensch-Tier-Verhältnisses führt, sind derartige „Tierwohl“-Initiativen für eine „artgerechte“ bzw. „wesensgemäße“ Tierhaltung für immer mehr Verbraucher und Verbraucherinnen nicht überzeugend. Es zeigt sich vielmehr immer deutlicher die ethische Notwendigkeit, in Zukunft gänzlich vom Konsum tierischer Produkte abzusehen und ihre Produktion einzustellen. Einer solchen Zielsetzung steht jedoch eine Landwirtschaft, die von ihrem Selbstverständnis her an die Herstellung von Erzeugnissen tierischen Ursprungs gekoppelt ist, in letzter Konsequenz entgegen.

Die auch bei der Biohaltung noch existierenden Tierschutzprobleme werden oft ausgeblendet: Auch hier werden auf Hochleistung gezüchtete Tiere zur Produktion eingesetzt. So ist beispielsweise die Massenhaltung von Legehennen mit bis zu 3.000 Tieren pro Gruppe erlaubt. Die männlichen Legehennenküken werden auch hier getötet, und in der Milchkuhhaltung werden Kälber von ihren Müttern isoliert (Mutter- oder Ammenkuhhaltung spielt derzeit noch eine untergeordnete Rolle). Auch Biotiere werden langen Transportzeiten ausgesetzt und überwiegend in denselben Schlachthöfen geschlachtet wie konventionell gehaltene Tiere. Zudem ist ein gutes Haltungsmanagement auch bei der Biohaltung nicht automatisch gegeben. Inwieweit eine „artgerechte“ Haltung – geschweige denn eine „artgerechte“ Züchtung und „artgerechte“ Tötung – überhaupt abschließend festgelegt und gewährleistet werden kann oder ob nicht allenfalls eine „artgerechtere“ Haltung von Tieren möglich ist, bleibt eine grundsätzlich offene und bislang keinesfalls erschöpfend geklärte Frage.

Die Tierschutzproblematik in der ökologischen Tierhaltung

Die auch bei der Biohaltung noch existierenden Tierschutzprobleme werden oft ausgeblendet: Auch hier werden auf Hochleistung gezüchtete Tiere zur Produktion eingesetzt. So ist beispielsweise die Massenhaltung von Legehennen mit bis zu 3.000 Tieren pro Gruppe erlaubt. Die männlichen Legehennenküken werden auch hier getötet, und in der Milchkuhhaltung werden Kälber von ihren Müttern isoliert (Mutter- oder Ammenkuhhaltung spielt derzeit noch eine untergeordnete Rolle). Auch Biotiere werden langen Transportzeiten ausgesetzt und überwiegend in denselben Schlachthöfen geschlachtet wie konventionell gehaltene Tiere. Zudem ist ein gutes Haltungsmanagement auch bei der Biohaltung nicht automatisch gegeben. Inwieweit eine „artgerechte“ Haltung – geschweige denn eine „artgerechte“ Züchtung und „artgerechte“ Tötung – überhaupt abschließend festgelegt und gewährleistet werden kann oder ob nicht allenfalls eine „artgerechtere“ Haltung von Tieren möglich ist, bleibt eine grundsätzlich offene und bislang keinesfalls erschöpfend geklärte Frage.

(Konstantinos Tsilimekis, Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt)

2.2. Biozyklisch-veganer Anbau als weltweite Alternative

In weiten Kreisen gilt es inzwischen als anerkannt, dass eine globale Ausweitung der ökologischen Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung leisten könnte. Aber es wird selten bedacht, dass eine solche von ihren Ansätzen her sicher begrüßenswerte Ausweitung des Ökolandbaus unter Beibehaltung der bislang praktizierten Methoden, welche eine Kombination von Tierhaltung und Pflanzenbau zur Grundlage haben, aus den im vorigen Abschnitt genannten Gründen nicht zielführend ist.

Demgegenüber geht die biozyklische Idee davon aus, dass es erforderlich und möglich ist, auch ohne die Züchtung und Haltung von Schlachttieren und ohne den Einsatz von Betriebsmitteln tierischen Ursprungs eine größtmögliche natürliche Bodenfruchtbarkeit zu erhalten bzw. aufzubauen und dabei gleichzeitig eine ganzheitlich wirkende biozyklische Betriebseinheit auf ökologischer Grundlage zu schaffen. Dabei dürfen die zur Gewinnung von Nahrungsmitteln für den Menschen herangezogenen landwirtschaftlichen Flächen weder mit tierischem Dung (Gülle und Festmist), ob in frischer oder kompostierter Form, noch mit Schlachtabfällen jedweder Art oder anderen Präparaten tierischen Ursprungs gedüngt oder anderweitig behandelt werden.

Diese Prinzipien wurden bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von ersten Landbaupionieren aus der Vegetarier- und Reformbewegung[1] postuliert und später in den fünfziger Jahren von Adolf Hoops weiterentwickelt. Sie haben sich seitdem in der Praxis vielfach bewährt und stehen heute als „biozyklische Richtlinien“ in vollem Einklang mit den Anforderungen an eine bio-vegane Landbewirtschaftung, wie sie in den letzten Jahrzehnten von anderer Seite formuliert wurden[2]. Zur Verdeutlichung dieses Aspektes werden sie nachfolgend nunmehr „biozyklisch-vegan“ genannt.

Die biozyklisch-vegane Bewirtschaftungsweise bietet sich nicht nur als Alternative in Regionen der gemäßigten Zonen mit klassischen Gemischtbetrieben an, sondern in besonderem Maße auch dort, wo eine Kombination aus Pflanzenbau und Tierhaltung traditionell nicht gegeben bzw. nicht möglich ist.

 

[1] z. B. Mina Hofstetter in der Schweiz

[2] „Vegan Organic Network“ (UK), Bio-Veganes Netzwerk (Deutschland) etc.

3. Die zentrale Rolle der Kompostwirtschaft für den biozyklisch-veganen Anbau im Hinblick auf den Boden-, Wasser-, Klima- und Ressourcenschutz
3.1. Biozyklische Humuserde

Ein wesentliches Kennzeichen der biozyklisch-veganen Anbaumethode ist die Verwendung von reifem Kompost in Substratqualität, welcher die Voraussetzung bietet für den Aufbau und Erhalt einer dauerhaften Bodenfruchtbarkeit. Kompost wird auch im ökologischen Landbau oftmals noch nicht als Bestandteil der Grunddüngung angesehen, sondern in erster Linie als Bodenverbesserer. Es herrscht unter vielen Landwirten die irrige Meinung vor, dass tierischer Dung mehr Nährstoffe enthalte. Dementsprechend sind die in der Praxis üblichen Aufwandmengen an Kompost nach wie vor zu gering bemessen. Dies hängt nicht zuletzt auch mit der Verwendung teils viel zu unreifer Frischkomposte (Rottegrad II-III) zusammen, bei deren Einsatz Vorsicht geboten ist. Die eigentlichen Vorteile des Einsatzes von Kompost potenzieren sich erst, wenn der Kompost einem Nachreifungsprozess unterzogen wird, der ihn über die Substratreife hinaus in einen erdigen Zustand überführt, wodurch er zu Humuserde wird. Humuserde ist gekennzeichnet durch ein Gleichgewicht zwischen Abbauorganismen und Aufbauorganismen, wodurch sie sich in einem völlig stabilen Zustand befindet und auf die Bodenumgebung einen stabilisierenden Einfluss ausübt. Ihre organische Substanz besteht fast ausschließlich aus reinem Humus. Humuserde ist daher so wurzelfreundlich, dass man in ihr selbst Jungpflanzen und Sämlinge ohne Beimischung anderer Materialien (z. B. Torf, Perlit etc.) heranziehen kann. Während nicht vollständig verrottete, also halbreife Komposte entweder noch wurzelschädlich sein können oder teilweise sogar auswaschungsgefährdet sind, entfaltet Humuserde völlig andere Eigenschaften. Damit auf der Basis eines rein pflanzlichen Komposts Humuserde entsteht, bedarf es einer gezielten Rotteführung und einer längeren Nachreifungszeit als landläufig angenommen. Dabei wird eine Reifestufe erreicht, die über den für Substratkompost festgelegten Rottegrad V hinausgeht.[1] Während im Einklang mit den biozyklisch-veganen Richtlinien hergestellte Humuserde vorwiegend im intensiven biozyklisch-veganen Gartenbau zum Einsatz gelangen wird, sollte im Ackerbau bzw. bei Sonderkulturen je nach den Anforderungen der Kulturpflanzen und gemäß den gesetzlichen Vorgaben zumindest Fertigkompost (Rottegrad IV-V) und Substratkompost (Rottegrad V) zum Einsatz gelangen. Im biozyklisch-veganen Anbau steht allerdings eindeutig der Einsatz von biozyklischer Humuserde im Mittelpunkt aller Produktionsprozesse und stellt die Hauptgrundlage der Pflanzenernährung und des Pflanzenschutzes dar. Es werden ausschließlich Ausgangsmaterialien pflanzlichen Ursprungs zu ihrer Gewinnung herangezogen.

(Siehe auch den Artikel „Definition und Bedeutung von biozyklischer Humuserde für den biozyklisch-veganen Anbau“ im Anhang.)

[1] s. Bundesgütegemeinschaft Kompost e.V. (BGK), www.kompost.de

3.2. Die drei „B-Eigenschaften“ von biozyklischer Humuserde: Bodenverbesserer, Kohlenstoff-Bunker, Nährstoff-Batterie
3.2.1. Biozyklische Humuserde als BODENVERBESSERER

Kompost wird aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften landläufig als „Bodenverbesserer“ bezeichnet und eingesetzt. Ausschlaggebend für diese Bezeichnung ist seine Fähigkeit, zur besseren Belüftung der Böden, zur Steigerung der Wasserhaltekapazität und zur Beschleunigung der Bodengare beizutragen. Sein hoher Anteil an Mikroorganismen der verschiedensten Gattungen leistet zudem einen wesentlichen Beitrag zur Förderung des Bodenlebens. Kompost wird daher allgemein als wichtiger Faktor zur Steigerung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit insbesondere auf biologisch bewirtschafteten Böden angesehen. Die Erhöhung des Humusgehalts in der oberen 25 cm tiefen Bodenschicht geschieht über Mulchen, Flächenkompostierung und die Verabreichung von Fertig- bzw. Substratkompost verschiedener Reifegrade. Die Wirkung von Kompost auf die Bodenfruchtbarkeit ist dabei umso höher, je reifer er ist.

Der biozyklisch-vegane Anbau geht darüber hinaus und hat zum Ziel, dass auf den zu bewirtschaftenden Flächen möglichst viel Humuserde eingesetzt wird, welche auch direkt als Pflanzsubstrat ohne Zusatz von Erde verwendet werden kann.

Auf diese Weise stellt der biozyklisch-vegane Anbau durch den gezielten Einsatz großer Mengen von Humuserde auf der Basis rein pflanzlicher Komposte (möglichst in Substratqualität) auch ein Mittel zur Beendung und Umkehr von Bodendegradation und Erosion dar.

3.2.2. Biozyklische Humuserde als Kohlenstoff-BUNKER

Darüber hinaus wird die biozyklisch-vegane Landwirtschaft aber auch zur Reduktion der sich in der Atmosphäre befindenden Kohlendioxide einen Beitrag leisten können, insbesondere dann, wenn man dazu übergeht, den Humusgehalt eines Bodens als Hauptproduktionsgrundlage für die landwirtschaftliche und gartenbauliche Erzeugung von Pflanzen zu betrachten und nicht nur als Randerscheinung für die Beurteilung der Bodenfruchtbarkeit. In der biozyklisch-veganen Anbaupraxis werden aus Gründen der Pflanzenernährung und im Sinne einer nachhaltigen Verbesserung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit je nach Anbaukultur sehr hohe Mengen an Humuserde eingesetzt. Da Humus zu ca. 40-60% aus Kohlenstoff (C) besteht, können durch die verstärkte Ausbringung von biozyklischer Humuserde auf die Ackerflächen erhebliche Mengen an Kohlenstoff in der organischen Substanz des Bodens gebunden werden. Ein derartiges Vorgehen auf der Grundlage rein pflanzlicher Ausgangsmaterialien hat das Potenzial, Ackerland in CO2-Senken zu transformieren (bislang galten nur Wälder, Moore, Dauergrünland, Savannen, Steppen und Ozeane als solche) und auf diese Weise einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Der Beitrag des biozyklisch-veganen Anbaus zum Klimaschutz

Weltweit werden derzeit 48.827.330 km2 der Landfläche landwirtschaftlich genutzt, was ca. einem Drittel der Landmasse unseres Planeten entspricht. Auf diesen landwirtschaftlich genutzten Böden herrschen sehr unterschiedliche Humusgehalte[1] vor, in der Regel jedoch Werte von deutlich unter 5%[2].

Es könnten bereits 58 % der globalen anthropogenen CO2-Emissionen neutralisiert werden, wenn man beispielsweise auf 10 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche den Humusgehalt des Bodens um einen Prozentpunkt erhöhen würde. Dies entspräche einer Schicht von nur knapp 0,5 cm Humuserde bzw. einer Aufwandmenge von 4-5 Litern pro Quadratmeter.[3]

Da eine Zunahme der biozyklisch-vegan bewirtschafteten Flächen durch einen verstärkten Einsatz von Humuserde auch gleichzeitig zu einem Anwachsen der globalen Humusmenge führt, kann der biozyklisch-vegane Anbau über die Kohlenstoff-Bunkerfunktion von reifem Kompost einen effektiven Beitrag zur Reduktion des CO2-Gehalts der Atmosphäre leisten und stellt damit ein Instrument für die Umsetzung der Beschlüsse der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris dar.

(Dr. agr. Johannes Eisenbach, Biocyclic Network)

[1] Humus befindet sich in der oberen Bodenschicht. Der Hauptanteil befindet sich je nach Bodenart und natürlicher Fruchtbarkeit in den ersten 25 cm der Bodenkrume. Angaben zum Humusgehalt des Bodens beziehen sich daher auf den Prozentsatz an organischer Substanz innerhalb einer Bodenschicht von 0 bis 25 cm.

[2] In Europa gelten Böden mit Humusgehalten unter 3,5 % als degradiert. Ab einem Humusgehalt von 5% spricht man von Böden mit hoher natürlicher Bodenfruchtbarkeit.

[3] Berechnungsgrundlage siehe Anhang

3.2.3. Biozyklische Humuserde als Nährstoff-BATTERIE

Im biozyklisch-veganen Anbau kommt der Funktion von Humuserde als Nährstoffquelle eine besondere Bedeutung zu. Humuserde stellt ein umfassendes, ausgewogenes und lang anhaltendes Reservoir an organisch gebundenen Nährstoffen dar („Nährstoff-Batterie“). Die Tatsache, dass in Humuserde fast sämtliche Nährstoffe in Clustern organisch gebunden und in nicht-wasserlöslicher Form vorliegen, ist von entscheidender Bedeutung für seine Einsatzmöglichkeiten. Langjährige Erfahrungen haben gezeigt, dass es bei der Verwendung von biozyklischer Humuserde aufgrund der in ihr enthaltenen stabilen Aggregate nicht zu Nährstoffverlusten durch Auswaschung und damit auch nicht zu Emissionen von umwelt- und gesundheitsschädlichen reaktiven Stickstoffverbindungen kommt, wodurch ein wichtiger Beitrag zur Lösung der gegenwärtigen globalen Stickstoffproblematik geleistet wird. Insbesondere auch in Anbetracht der überhöhten Nitratwerte in Grund- und Oberflächengewässern stellt biozyklische Humuserde als „N-Binder“ damit die ideale Nährstoffquelle, z. B. auch in Wasserschutzgebieten, dar.[1]

[1] Regelmäßige Boden- und Kompostanalysen im biozyklischen Anbau ergeben einen seit Jahren gleichbleibenden Nährstoffgehalt, obwohl das Material Niederschlägen ausgesetzt ist und zusätzlich im Sommer für die darauf wachsenden Kulturen bewässert wird. Lägen in biozyklischer Humuserde die Nährstoffe in wasserlöslicher Form vor, müsste der Nährstoffgehalt z.B. an Stickstoff, Kalium und Phosphor permanent sinken, was jedoch nicht der Fall ist.

Die Stickstoffproblematik
Die erhöhten Emissionen reaktiver Stickstoffverbindungen wie Ammoniak (NH3), Lachgas (N2O) und Nitrate (NO3-Verbindungen) gehören zu den drängendsten und gleichwohl in der Öffentlichkeit unbekanntesten Umweltproblemen unserer Zeit. Im Hinblick auf den globalen Stickstoffkreislauf sind die ökologischen Belastbarkeitsgrenzen der Erde bereits überschritten:[1]

 

Allein in Europa haben sich in den vergangenen 100 Jahren die jährlichen Umwandlungsraten in reaktiven Stickstoff vervierfacht. Hauptursachen sind die Herstellung und der Einsatz mineralischer Dünger, die Verbrennung von Treib- und Brennstoffen sowie die Emissionen aus der Tierhaltung (Gülle- und Festmist, Abluft aus Stallanlagen). Die Folgen sind weitreichend: Reaktive Stickstoffverbindungen erhöhen den Schadstoffgehalt der Luft, belasten Oberflächen- und Grundgewässer, führen zur Versauerung der Böden, verringern die Biodiversität und verstärken den Klimawandel. Die Debatte über die Lösung dieser Probleme wird weltweit geführt, insbesondere im Rahmen der im September 2015 verabschiedeten Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, die sich nichts weniger als ein globales Umsteuern der Volkswirtschaften der Erde in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung als Ziel gesetzt hat.

Mit dem Bericht „Stickstoffeintrag in die Biosphäre“, der im Mai 2017 vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, legt die Bundesregierung die Grundlagen für eine integrierte Herangehensweise zur Minderung der Emissionen reaktiver Stickstoffverbindungen. Dieser Minderungsansatz schließt alle Verursachersektoren, Umweltmedien und Ebenen ein und nimmt so das Problem als Ganzes in den Blick. Mit der Verabschiedung dieses Berichts wird das Thema Stickstoff erstmals umfassend auf die politische Agenda gehoben.
 

[1] Rockström et al. (2009): „A safe operating space for humanity“. Nature 461, 472-475. Abbildung zitiert nach  „Den Wandel ökologisch gestalten – Integriertes Umweltprogramm 2030“ (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, September 2016).

Ein weiterer Aspekt ist, dass die auf biozyklischer Humuserde wachsende Pflanze dazu veranlasst wird, die in der Natur vorgesehenen Absorptionsmechanismen für nicht-wasserlösliche Pflanzennährstoffe zu aktivieren, was zu einem physiologisch optimalen Wachstumsbild und gleichzeitig aufgrund der Mobilisierung des pflanzeneigenen Immunsystems zu einer spürbar besseren Pflanzengesundheit führt. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass die auf Humuserde wachsenden Pflanzen aufgrund der reichlichen Verfügbarkeit an Mikronährstoffen von herausragendem Geschmack sind. Können dem reifenden Substrat während der Verrottungsphase Wild- und Heilkräuter oder Bestandteile aus Pflanzen mit erhöhtem Anteil an Antioxidantien (z. B. Brennnessel, Beinwell, Schachtelhalm, Olivenblätter) zugegeben werden, birgt Humuserde zudem noch Potentiale mit gesundheitsförderlichen Aspekten für den Verbraucher selbst.

In der Praxis hat es sich erwiesen, dass bei ausreichend hohen Aufwandsmengen über den Einsatz von Humuserde sämtliche Bedürfnisse der Pflanze an Makro- und Mikronährstoffen sowie Phytokininen, natürlichen Auxinen und anderen stoffwechselfördernden natürlichen Hormonen gedeckt werden können. Durch die Bindung der Nährstoffe in nicht-wasserlöslichen Humuskomplexen ist selbst bei Verabreichung großer Mengen eine Überdüngung ausgeschlossen. Je mehr Humuserde eingesetzt werden kann, umso mehr kann das natürliche genetische Potential der Kulturpflanze ausgeschöpft werden.

Aufgrund ihrer selbst gegenüber vollreifem Substratkompost völlig andersartigen Eigenschaften fällt der Einsatz von biozyklischer Humuserde nicht unter die eventuellen Beschränkungen nationaler Düngemittelverordnungen.

3.3. Biozyklische Humuserde als Teil einer Kreislaufwirtschaft

Dem Einsatz von biozyklischer Humuserde kommt aber auch vor dem Hintergrund der Schließung von Nährstoffkreisläufen eine ganz besondere Bedeutung zu. So können über die Produktion von Humuserde auf der Basis betriebseigener Ausgangsstoffe hinaus die in der ökologischen lebensmittelverarbeitenden Industrie mitunter massiv anfallenden Reststoffe oder andere Abfälle pflanzlicher Herkunft aus Produktion und Handel oder auch aus der Biogasgewinnung über eine systematische Kompostierung sinnvoll im Sinne der biozyklischen Idee in den landwirtschaftlichen Nährstoffkreislauf integriert werden, sofern dieser Prozess über eine gezielte Rotteführung und Nachreifebehandlung zur Erzeugung von Humuserde führt. Auch sogenannte absolute Grünlandstandorte oder andere bislang für die Produktion von Tierfutter genutzte oder aus Gründen des Landschaftsschutzes extensiv beweidete Flächen können in der biozyklisch-veganen Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Produktion von pflanzlicher Rohmasse für die Herstellung von biozyklischer Humuserde leisten.

3.4. Ausblick

Mit der bevorstehenden Etablierung und Ausbreitung des biozyklisch-veganen Anbaus eröffnet sich neben den oben genannten Potentialen in ökologischer und tierethischer Hinsicht auch ein breites Feld für weiterführende auch allgemein dem ökologischen Landbau zuträgliche Forschungsvorhaben, die dazu beitragen können, die mikrobiologischen Mechanismen, welche zu den in der Praxis beobachteten Ergebnissen im Zusammenhang mit dem Einsatz von biozyklischer Humuserde führen, noch besser zu verstehen und neue Anhaltspunkte für eine Weiterentwicklung der Methodik zu liefern.

Es werden aber auch Forschungen zur Optimierung verschiedener Verfahren zum Humusaufbau, wie sie in der ökologischen Landwirtschaft zur Anwendung kommen (z. B. durch Mulchen, Flächenkompostierung), im Sinne des biozyklisch-veganen Landbaus eine wichtige Rolle spielen, wobei es gilt, für unterschiedliche Klima- und Bodenverhältnisse die jeweils optimale Verfahrensweise zu finden.

Im Rahmen des biozyklisch-veganen Anbaus wird biozyklische Humuserde und deren großflächiger Einsatz künftig im Zentrum aller Bemühungen um Boden-, Gewässer-, Klima- und Ressourcenschutz stehen.

 

Landwirtschaft heute: Aktuelle Herausforderungen und umweltpolitische Forderungen

„Die intensive Landwirtschaft in Deutschland, insbesondere die Intensivtierhaltung, hat erhebliche Umwelt- und Gesundheitsschäden zur Folge. Die unsachgemäße Düngung von Agrarflächen verursacht übermäßige Nährstoffeinträge, insbesondere von reaktiven Stickstoffverbindungen, in Gewässer und in die Luft. Der unvermindert hohe Einsatz von Pestiziden führt zu einer signifikanten Abnahme der biologischen Vielfalt. Zudem verhindert der zu hohe Nährstoffeintrag eine Verbesserung der ökologischen Qualität von Böden und Gewässern und treibt den Aufwand für die Trinkwasseraufbereitung in die Höhe. Die Verunreinigung der Luft mit Stickstoffverbindungen aus Tierhaltungsanlagen und durch die Gülleausbringung trägt erheblich zu Gesundheitsschäden durch Feinstaub bei. Die Emissionen aus der Landwirtschaft sind mit einem Anteil von 7,3 % der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen in Deutschland.

Trotz steigender Nachfrage nach regionalen Bio-Produkten schöpft der ökologische Landbau in Deutschland sein Wachstumspotenzial bei weitem nicht aus. Vom Ziel der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, den Flächenanteil des Ökolandbaus zukünftig auf 20 % zu erhöhen, ist Deutschland weit entfernt (2014: 6,3 %). Der Import von Agrarerzeugnissen, insbesondere von Rohstoffen für die Nahrungsmittel- und Biokraftstofferzeugung sowie von Futtermitteln für die Intensivtierhaltung, hat gravierende und meist nicht revidierbare Auswirkungen auf die ökologische und soziale Situation in den Produktionsländern (z. B. Zerstörung von Regenwäldern, Vertreibung und Auslöschung indigener Völker). Hierbei spielt der nach wie vor sehr hohe Fleisch- und Milchkonsum in Deutschland eine Rolle. Die Fleischproduktion erreichte im ersten Halbjahr 2015 ein Rekordhoch. Fast die Hälfte davon geht in den Export – Tendenz steigend. Eine Minderung des Fleischkonsums in Deutschland wäre somit ein wichtiger Beitrag zum Schutz von Umwelt und Natur sowie zur Verringerung von Gesundheitsrisiken, für sich genommen jedoch noch keine Lösung des Problems.

Notwendig ist eine Landwirtschaft, die die biologische Vielfalt erhält, das Klima schützt, die Intensivtierhaltung beendet und Stoffausträge auf ein verträgliches Maß mindert.“

Quelle: „Den ökologischen Wandel gestalten – Integriertes Umweltprogramm 2030“ (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, September 2016)

Anhang

Definition und Bedeutung von biozyklischer Humuserde für den biozyklisch-veganen Anbau

von Dr. agr. Johannes Eisenbach

Die Transformation organischer Substanz von einem Grad höherer Organisation (Pflanze) in einen geringer strukturierten Zustand ist einer der komplexesten Vorgänge in der Natur. Unter bestimmten Voraussetzungen steht am Ende dieses Transformations- oder Abbauprozesses ein dynamisch-stabiles Produkt, das als Bestandteil des natürlichen Bodens „Humus“ genannt wird. In der „Humusphase“ befindet sich organische Substanz an dem Punkt, an dem der Kreislauf biologisch aktiver Substanzen am kürzesten ist. Liegt organische Substanz in der biozyklischen Humusphase nicht als Bodenbestandteil, sondern in purer Form vor, kann man sie auch als biozyklische Humuserde bezeichnen, da sie als Bodenersatz dienen kann. Die während des vorausgegangenen Abbauprozesses entstehenden Zwischenprodukte werden je nach Reifegrad als „Mulchschicht“ bzw. „Frisch-, Fertig- oder Substratkompost“ bezeichnet, welche zum Teil völlig andere Eigenschaften als biozyklische Humuserde aufweisen können.

Der Abbauprozess organischer Substanz findet in der Natur auf vielfältige Weise statt und kann vom Menschen gesteuert werden (Fermentierung und Kompostierung). Je nach Verfahren kann es dabei zu mehr oder weniger starken Verlusten an Kohlenstoff und Nährstoffen kommen, die zuvor in der organischen Substanz gebunden waren. Gelangt die organische Substanz nach Beendigung der Abbauphase in die biozyklische Humusphase, werden der durch mikrobielle Aktivität im Humus freiwerdende Kohlenstoff und Stickstoff sowie andere Nährstoffe und Substanzen unmittelbar wieder in makromolekulare Strukturen überführt und damit erneut gebunden. Dadurch werden diese Verbindungen weitgehend vor einer weiteren Mineralisierung, die letztlich zum Verlust durch Auswaschung und Verdunstung führen würde, geschützt.

Eine Verringerung der in der biozyklischen Humusphase befindlichen organischen Substanz kann im Wesentlichen nur durch Entnahme über das Wurzelsystem von Pflanzen oder äußere Umwelteinflüsse stattfinden, die ein Absterben bzw. den Zerfall der für die biozyklische Humusphase verantwortlichen Mikroorganismen bzw. Makromoleküle bewirken. Daher ist es wichtig, dass biozyklische Humuserde möglichst wenigen Umwelteinflüssen ausgesetzt wird, was z.B. durch Abdecken des fertigen Materials oder Einarbeiten in den Boden erfolgen kann. Durch die Direktbepflanzung von biozyklischer Humuserde, oder, anders ausgedrückt, von organischer Substanz pflanzlichen Ursprungs, welche sich in der biozyklischen Humusphase befindet, kann über die unmittelbare Absorption der in der Humusphase befindlichen Substanzen der „kurze“ Stoffkreislauf wieder erweitert werden. Die wachsende Pflanze wird dann über ihr Wurzelsystem vorrübergehend Teil des in sich nahezu geschlossenen biozyklischen Metabolismus, der zuvor auf kürzestem Wege lediglich in der Humuserde stattfand. In der Pflanze selbst findet dann eine Verteilung der biologisch aktiven Substanzen an die unterschiedlich differenzierten Gewebeteile der Pflanze statt, wodurch diese Substanzen vorrübergehend über die Beteiligung an der Entstehung pflanzlichen Gewebes der biozyklischen Humusphase entzogen werden. Diesen Aufbauvorgang nennen wir biozyklisch-veganen Anbau.

Fände keine Entnahme der auf diese Weise entstandenen Pflanzen oder Pflanzenteile statt, würde sich der Kreislauf der organischen Substanz am Ende des Vegetationszyklus wieder schließen. Den Beginn dieses Vorgangs nennen wir „Verrottung“. Findet dieser unter Ausschluss von Sauerstoff statt, sprechen wir von „Fermentierung“. Teilweise setzt dieser Vorgang schon etwas früher ein, als wir Menschen dies gerne hätten. Wir sprechen dann von „Fäulnis“ oder „Gärung“. Greifen wir in den natürlichen Abbauprozess durch Maßnahmen einer gezielten Rotteführung ein, sprechen wir von „Kompostierung“.

Ziel einer gesteuerten Kompostierung ist das möglichst rasche Überführen der verrottenden oder fermentierten organischen Substanz in die biozyklische Humusphase. Unterbricht man diesen Vorgang vorzeitig, gelangt die sich in Abbau begriffene organische Substanz nicht in die biozyklische Humusphase, das heißt, der Stoffkreislauf ist noch nicht völlig geschlossen und entsprechend instabil. Während des Abbauprozesses vorrübergehend freiwerdende Substanzen können dann noch nicht auf kürzestem Wege in andere Organismen oder komplexe Molekularstrukturen eingebaut werden. Je nach Reifegrad kann es zu Nährstoffverlusten durch Auswaschung, Austrocknung oder andere Vorgänge kommen.

Der Einsatz eines solchen noch instabilen Materials wird als „Düngung“ bezeichnet. Die Effizienz der Düngung hängt nun davon ab, inwiefern die durch den unvollständigen Abbauprozess zwischenzeitlich freigesetzten Nährstoffe, die mitunter sogar wasserlöslich sein können (dann spricht man landläufig von einem starken, triebigen oder unmittelbar pflanzenverfügbaren Dünger), von der Pflanze, insbesondere in Kombination mit der Wasseraufnahme, absorbiert werden können. Hingegen kann man im Falle der direkten Bepflanzung von biozyklischer Humuserde die Entnahme von physiologisch wirksamen Substanzen, die sich in der biozyklischen Humusphase befinden, durch die Pflanze nicht als Düngung bezeichnen.

Düngung ist die über die Wasseraufnahme zwangsweise Zufuhr von Pflanzennährstoffen in überwiegend wasserlöslicher Form. Befindet sich jedoch das Wurzelsystem in organischer Substanz, das die biozyklische Humusphase erreicht hat, findet eine biologisch höchst effiziente Symbiose zwischen Bodenorganismen und Pflanze statt, die dazu führt, dass die Nährstoffaufnahme unabhängig von der osmosegesteuerten Wasseraufnahme der Pflanze erfolgen kann. Die dadurch eingeleiteten Stoffwechselprozesse in der Pflanze führen zur Aktivierung intensivsten Wurzelwachstums und einer eindrucksvollen, aber physiologisch ausgeglichenen Ausbildung der oberirdischen Pflanzenteile, was sich auf den Ertrag und auf den Geschmack bemerkbar macht. Eine Düngung im üblichen Sinne während des Wachstumsvorgangs findet in dieser Form des biozyklisch-veganen Anbaus (Aussaat oder Pflanzung in bio-zyklischer Humuserde) nicht statt.

In dem Maße, in dem aus welchem Grunde auch immer biozyklische Humuserde nicht in ausreichender Menge für die Direktkultivierung zur Verfügung steht (was auf absehbare Zeit die Regel sein wird), versuchen wir durch gezielte Anbaumaßnahmen wie Gründüngung, Mulchen, Bodenbearbeitung und Blattapplikationen einen möglichst hohen Anteil an Pflanzennährstoffen in organisch gebundener, nicht-wasserlöslicher Form der Pflanze zur Verfügung zu stellen. Bei den im Boden stattfindenden Abbauprozessen wird jedoch vor Erreichen der biozyklischen Humusphase immer auch ein Teil der Nährstoffe in einen wasserlöslichen Zustand „abrutschen“. Diese Verluste so gering wie möglich zu halten oder sogar ganz zu vermeiden, ist Ziel aller anbautechnischen Maßnahmen im biozyklisch-veganen Anbau, worunter in besonderem Maße aus den oben genannten Gründen auch die Herstellung von biozyklischer Humuserde zählt.